Datenschutzrechtliche Aspekte der Personen-Ortung DSGVO Art 4, 5, 9, 83; StGB §§ 107a, 119; ABGB §§ 16, 1328a
GPS- und Handy-Ortungen, Überwachung der Bewegungen einer Person werden immer beliebter - die meisten Anwendungen sind unzulässig, Beschwerden häufen sich - Ortungssysteme liefern unzulässige Einblicke in das Privatleben - Personen-Ortung ist auch strafrechtlich verboten (Stalking, Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses)
Dienste die auf GPS- oder Handy-Ortung aufbauen, werden als "Location Based Services" zusammengefasst. Mit fortschreitenden technischen Möglichkeiten, den aktuellen Standort von Personen zu lokalisieren, häufen sich die Missbrauchsfälle. Bei Mitarbeiterüberwachung kommen diese Dienste genauso zur Anwendung, wie bei der Überwachung seines Lebenspartners, bei Rosenkriegen oder der Überwachung von Kindern und Jugendlichen.
GPS- und Handy-Ortung
"GPS" steht für Global Positioning System und sollte vorrangig zur Navigation dienen. Die Grundlage des Systems ist die Laufzeitmessung mittels Satellit. Aus der Bestimmung der Laufzeit eines Signals kann die Entfernung zwischen Quelle und Empfänger errechnet werden, wenn man die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Signals kennt.
Um den genauen Standort auf der Erdoberfläche bestimmen zu können, braucht man die Daten von mindestens drei Satelliten. Über die Laufzeitmessungen erhält man insgesamt drei Radiuskurven, die sich an einem bestimmten Punkt überschneiden. Das ist die Position, an der sich der GPS-Empfänger gerade befindet.
Die Handy-Ortung funktioniert im Prinzip ident, verwendet aber nicht Satelliten, sondern die Funkstationen der Mobiltelefonbetreiber. Da ein Handy in der Regel immer mehrere Funkstationen erreicht, kann aus dem Schnitt der verschiedenen Signale der exakte Standort des Handys ermittelt werden. Von den Mobilfunkfirmen wird die "Handyortung" zusätzlich als Dienstleistung für private Nutzer angeboten.
Verwendbarkeit
Moderne Systeme verwenden eine Kombination von Handy und GPS um eine Überwachung in Echtzeit zu ermöglichen.
Neben der Überwachung von Autos existiert die Möglichkeit, auch Wertgegenstände mit GPS-Signal auszustatten, um sie im Diebstahlsfall orten zu können. Eine japanische Firma möchte Haustiere "serienweise" mit GPS sichern, um im Notfall den entlaufenen oder gestohlenen Liebling für seinen Besitzer rasch auffindbar zu machen. Aus verschiedensten Gründen kann es interessant oder verlockend sein, herauszufinden, wo sich eine Person gerade aufhält - am besten ohne Wissen und Mitwirkung des Betroffenen. Man denke an die Überwachung des "fremdgehenden" Ehegatten, eines "verdächtigen" Mitarbeiters oder eines lästigen Konkurrenten. Die Versicherung UNIQA verwendet das System auch, um das Fahrverhalten ihrer KFZ-Versicherten in Echtzeit zu überwachen.
Datenschutz, Zulässigkeit und Privatsphäre
Eine Rechtsprechung zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Personen-Ortung fehlt bislang. Dass es sich dabei um eine Ermittlung personenbezogener Daten handelt, ist unstreitig (Art 4 DSGVO).
Ein Problem besteht darin, dass es sich bei einer Ermittlung von Standortdaten - genauso wie bei einer Videoaufzeichnung - um eine Form von Datenerfassung handelt, bei welcher der Verantwortliche (Überwacher) vorab gar nicht wissen kann, was er eigentlich ermittelt (eine "Datenerfassung ins Blaue"). Eine Personen-Ortung mag einem gewissen Zweck dienen, doch werden auch andere, "harmlose" Situationen mit überwacht.
Als Ergebnis einer laufenden Ortung erhält der Überwacher mit ziemlicher Sicherheit auch Ergebnisse, die mit seinem ursprünglichen Zweck gar nichts zu tun haben. Er kann z.B. erfahren, dass der Mitarbeiter/Geschäftspartner zwar keine geschäftlich unerwünschten Handlungen setzt, dafür allerdings seine Frau betrügt, zu schnell fährt oder Mittagspausen zur unerwünschten Zeit macht.
Da nicht nur zweckentsprechende Informationen ermittelt werden, sind Personen-Ortungen - ohne Einwilligung des Überwachten - wegen der strengen Zweckbindung gemäß Art 5 Abs 1 lit b DSGVO per se fragwürdig. Ortungen befinden sich damit mit der Videoüberwachung in "guter Gesellschaft", auch diese zeichnet in der überwiegenden Zahl der Fälle Unschuldige und nicht zweckdienliche Daten auf.
Weiters können durch die Ortung auch besonders geschützte Daten gemäß Art 9 DSGVO ermittelt werden, selbst wenn das nicht beabsichtigt ist. Resultat kann die Information sein, dass eine Person regelmäßig ins Krankenhaus oder zu einem Facharzt fährt, Mitglied einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder Partei ist, ...
Auch wenn der ursprüngliche Zweck, vielleicht sogar berechtigt ist, führen diese möglichen Zufallsfunde dazu, dass derartige Ermittlungsmaßnahmen datenschutzrechtlich unzulässig werden.
Systematische Überwachung
Von diesen generellen Betrachtungen abgesehen, bietet sich an, die bisherige Judikatur des OGH zur Videoüberwachung durch Private genauer anzusehen. Sie erlaubt Rückschlüsse auf die Zulässigkeit der Personen-Ortung.
In 8Ob108/05 vom 19.12.2005 stellte der OGH umfassende Leitlinien auf, welche sich allgemein auf systematische Überwachungsmaßnahmen anwenden lassen.
Diese Entscheidung hält fest, dass eine systematische und identifizierende Überwachung einen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen darstellt. Dabei spielt es keine Rolle, dass eine Überwachung nur öffentliches Verhalten erfasst. Auf Grund der permanenten Überwachung ist die technisierte Überwachung ein ungleich stärkerer Eingriff als persönliches Beobachten oder Verfolgen.
Der Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen durch systematische Überwachung muss nach Auffassung des OGH nicht immer unzulässig sein, vielmehr ist zu überprüfen, ob der Überwachungsmaßnahme ein ausreichendes, berechtigtes Interesse zugrunde liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, ob derselbe Zweck nicht durch schonendere Mittel als eine permanente, systematische Aufzeichnung verfolgt werden kann.
Wendet man diese - für Videoaufzeichnungen entwickelten - Leitlinien auf Ortungssysteme an, muss man zum Schluss kommen, dass eine Überwachung mittels GPS-System in den allermeisten Fällen unzulässig ist, da das herkömmliche "Verfolgen durch Detektiv" - bei aller Kritik - einen gelinderen Eingriff darstellt, nur das tatsächlich verfolgte Verhalten aufgezeichnet wird und in der Regel keine 24-Stunden-Überwachung erfolgt.
Technische Personen-Ortung - ob mittels GPS oder Handyortung - ist daher auf Grund der geltenden Privatsphärebestimmungen (DSGVO, §1328a ABGB, EMRK, ...) in den allermeisten Fällen unzulässig, auf jeden Fall dann, wenn das herkömmliche "Ausspionieren" durch Personen möglich ist.
Datenschutzrecht
Zunächst kann es sich - je nach Interessenslage des Verantwortlichen - um eine Datenschutzverletzung gemäß 83 Abs 5 DSGVO handeln. Die DSGVO regelt den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Daten von Betroffenen müssen gemäß Art 5 Abs 1 lit a DSGVO auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden. Sofern widerrechtliche beschaffte Daten durch den Beschaffer selbst benützt werden (durch beispielsweise durch einen überwachenden Detektiv) oder aber einem anderen zugänglich gemacht werden (beispielsweise dem Partner der/des Überwachten), liegt eine verordnungswidrige Verarbeitung vor.
Aber auch, der im Falle falsch verbreiteter Zahlungserfahrungsdaten ebenfalls relevante, Art 82 DSGVO könnte zur Anwendung kommen. So könnte bei materiellen und/oder immateriellen Verletzungen personenbezogener Daten ein Entschädigungsanspruch entstehen. Für die Klage auf Schadenersatz sind die Zivilgerichte zuständig.
Strafrecht
Auch strafrechtliche Konsequenzen sind zu bedenken. In Betracht kommt eine Anwendung des "Anti-Stalking-Paragraphen" § 107a StGB ("Beharrliche Verfolgung"). Zu bestrafen ist nach dieser Bestimmung auch, wer eine Person in einer Weise mittels Telekommunikation verfolgt, die geeignet ist die Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen.
Weiters ist an eine Anwendung des § 119 StGB zu denken, welcher die verbotene Verwendung von Nachrichten oder der Telekommunikationsanlage regelt. Zu bestrafen ist nach dieser Bestimmung auch, wer "eine Vorrichtung, die an der Telekommunikationsanlage oder an dem Computersystem angebracht oder sonst empfangsbereit gemacht wurde, benützt". Darunter fällt offenbar auch die Nutzung der Ortungsfähigkeit einer Telekommunikationsanlage.
Zivilrecht
Auch hier kommen für Betroffene verschiedene Möglichkeiten in Betracht sich gegen die Überwachung zu wehren. Im Wesentlichen kommen dafür die Paragraphen § 16 ABGB (persönliche Rechte) sowie §1328a ABGB (Privatsphäre) in Frage. Zumindest beim Installieren eines Peilsenders wird dabei auf jeden Fall in die Privatsphäre eingegriffen, wodurch sich ein Unterlassungsanspruch nach § 382g Exekutionsordnung ergeben kann. Die Schwelle zum Stalking muss dabei (noch) nicht überschritten worden sein (OGH 11.08.2008 1 Ob 61/08i).
Politik gefragt
Sinnvoller als die Kriminalisierung der Täter (welche in der Regel oft schwer - bis unmöglich auszuforschen sind) wäre es sicher, widerrechtlich beschaffte Daten zumindest in Verfahren vor Zivilgerichten als Beweismittel nicht zuzulassen. Denn sollte man aus solchen Daten keinen Nutzen mehr schlagen können, so würden diese erst gar nicht erfasst.
Resümee
Obgleich die Frage der Personen-Ortung ein juristisch weitgehend unbeackertes Feld ist, ist es möglich, aufgrund der Gesetzeslage und der bisherigen Rechtsprechung zu anderen Überwachungsmaßnahmen, Rückschlüsse auf die Zulässigkeit zu ziehen. Der Befund fällt negativ aus: Nur in den wenigsten Fällen kann eine Personen-Ortung gerechtfertigt und zulässig sein. Wer davon betroffen ist, braucht sich ein derartiges Vorgehen nicht gefallen lassen und kann mit zivilrechtlichen Unterlassungsklagen bzw. strafrechtlichen Anzeigen gegen den Überwacher vorgehen. Weiters kann der Betroffene gemäß der DSGVO eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde einbringen und eine Klage auf Schadenersatz geltend machen.
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